Für die Schweizer Automobilwirtschaft verlief das Geschäftsjahr 2017 erfreulich, ob­wohl nicht alle Importeure, Marken und Antriebstechnologien gleichermassen von der erneut grossen Nachfrage profitieren konnten. Insgesamt wurden in der Schweiz sowie im Fürstentum Liechtenstein 314’028 Neuwagen immatrikuliert (-1,0%). Deutlich im Plus schlossen die Verkäufe von alternativ angetriebenen Fahrzeugen (17’569 PW, +17,0%) sowie von Personenwagen mit Allradantrieb (149’281 PW, +6,3%). Dem vielfach unsach­lichen Diesel-Bashing mussten hingegen die Selbstzünder (113’118 PW, -9,1%) Tribut zollen. Praktisch unverändert zum Vorjahr entwickelte sich das volumenmässig bedeutsame Geschäft mit Gebrauchtwagen: Von Januar bis Dezember 2017 wechselten total 872’892 Occasionen den Besitzer. Dies sind lediglich 976 Fahrzeuge (-0,1%) weniger als ein Jahr zuvor. Aufgrund einer leichten Angebotsverknappung sanken die Standzeiten von gebrauchten Personenwagen im Durchschnitt auf 96 Tage (-3,0%).

 

Die Verkaufszahlen im hiesigen Neu- und Gebrauchtwagenmarkt sind in Anbetracht der Rahmenbedingungen positiv zu werten. Zum einen entwickelte sich das BIP-Wachstum sowie die damit einhergehende Stimulation der Konsumnachfrage deutlich schlechter als voraus­gesagt. Zum anderen sank die EU-Zuwanderung auf das tiefste Niveau seit Einführung der vollen Personenfreizügigkeit im Jahr 2007. Dass trotzdem keine stärkere Korrektur der Ver­kaufszahlen erfolgte, erklären Marktbeobachter mit dem noch nicht restlos ausgeschöpften Potenzial vorgezogener Neuwagenkäufe, mit denen gesunkene Listenpreise und grosszügige Euro-Rabatte zur Ersatzbeschaffung genutzt werden. Eine leichte Erholung der damit einhergehenden Margenerosion versprechen die Prognosen für das Jahr 2018: Die Analysten von BAK Economics rechnen mit einer Beschleunigung der Wachstumsdynamik, einem BIP-Wachstum von 2,4%, einer weiteren Abwertung des Schweizer Frankens zum Euro sowie leicht anziehenden Preisen im Neuwagensegment.

«Für unsere Mitglieder ist eine Korrektur des unbefriedigenden Preis- und Margendruckes wichtig, um die immer höheren Anforderungen an die Garagisten finanzieren zu können», stellt Urs Wernli, Zentralpräsident Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS), fest. «Mehr Verkäufe führen nicht zwangsläufig zu einem höheren Ertrag, sondern nur, wenn damit eine betriebswirtschaftlich vernünftige Rendite erzielt werden kann».

Dieselgate hinterlässt Spuren, während Alternativantriebe boomen

Stünden die Verkaufszahlen der Top-10-Marken repräsentativ für den gesamten Schweizer Neuwagenmarkt, wäre Letzterer 2017 um 0,8 Prozentpunkte gewachsen. Dies ist umso erstaunlicher, als dass der ewige Branchenprimus Volkswagen erneut kräftig Federn lassen musste (35’975 PW, ‑14,6%). Im Vergleich mit dem zweitrangierten Konkurrenten Mercedes-Benz (26’081 PW, +9,4%) schrumpften die einst mehr als doppelt so hohen Verkaufszahlen auf ein Polster von derzeit noch 27,5 Prozent! Auch BMW (24’865 PW, +0,6%), Audi (20’618 PW, +5,3%), Opel (14’042 PW, +6,5%) und Ford (13’884 PW, +6,1%) vermochten ihre Verkäufe im zurückliegenden Jahr entgegen der Marktentwicklung zu steigern. Beson­ders kräftig gelang dies Seat (12’053 PW, +18,9%) und Fiat (10’352 PW, +18,2%). Die trendigen Spanier und Italiener verdrängten damit Peugeot und Toyota aus der Top-10-Rang­liste. Wie Volkswagen verkauften auch Škoda (20’582 PW, -2,3%) und Renault (13’873 PW, ‑3,0%) weniger Fahrzeuge als im Vorjahr. Immerhin konnte sich Škoda aber den Titel für das meistverkaufte Modell sichern: Der Škoda Octavia stand jeden einzelnen Monat zuoberst auf der Verkaufsrangliste, was im Jahresverlauf total 10’017 ausgelieferte Fahrzeuge ergab.

 

Top-10-Marken im Neu- und Gebrauchtwagenmarkt (CH + FL)

Erhebungszeitraum: Januar bis Dezember 2017 (Rangierung 2016 in Klammern)

Rang Neuwagen +/- % Marktanteil Gebrauchtwagen +/- % Marktanteil
1 Volkswagen (1) -14,6% 11,5% Volkswagen (1) -1,5% 13,7%
2 Mercedes (3) 9,4% 8,3% BMW (3) 4,3% 7,4%
3 BMW (2) 0,6% 7,9% Audi (2) -1,2% 7,4%
4 Audi (5) 5,3% 6,6% Mercedes (4) 3.5% 6,6%
5 Skoda (4) -2,3% 6,6% Opel (5) -4,5% 6,0%
6 Opel (7) 6,5% 4,5% Renault (6) -0,8% 5,1%
7 Ford (8) 6,1% 4,4% Peugeot (7) -0,9% 4,6%
8 Renault (6) -3,0% 4,4% Ford (8) -2,8% 4,5%
9 Seat (-) 18,9% 3,8% Toyota (10) 0,8% 3,7%
10 Fiat(-) 18,2% 3,3% Fiat (9) -1,9% 3,6%
  Total Ø 0,8% 61,2% Total Ø -0,5% 62,6%

 

«Der Rückgang bei den Neuzulassungen im Dezember 2017 (-12%) legt den Schluss auf eine zunehmende Marktsättigung nahe. Da die Voraussetzungen im makroökonomischen Umfeld allerdings positiv sind, werden die Einbussen 2018 insgesamt wohl moderat ausfallen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir Neuimmatrikulationen auf dem Niveau von 305’000 bis 310’000 PW», erklärt Roland Strilka, Group Director Insights & Analysis DACH bei Eurotax. «Zudem dürfte auch weiterhin eine Verschiebung von Diesel- hin zu Benzinfahrzeugen stattfinden, da die alternativen Antriebe zwar stark nachgefragt werden, volumenmässig aber nur zu einem kleineren Teil den Verlust beim Diesel kompensieren können».

Eine Aufgliederung der Neuzulassungen nach Antriebsarten zeigt einige Auffälligkeiten, die für den hiesigen Automarkt typisch sind. So erzielen beispielsweise reine Elektrofahrzeuge (4773 PW, +44,9%) sowie Fahrzeuge mit Benzin-Hybrid-Motor (11’538 PW, +16,9%) mittler­weile respektable Marktanteile (1,6% respektive 3,8%). Bei E-Fahrzeugen (inkl. Modellen mit Range Extender) sind diese mehr als doppelt so gross und bei Hybriden (mit Benzin- oder Dieselmotor) immerhin noch rund 50 Prozent grösser als beispielsweise in Deutschland. Insgesamt wurden hierzulande 17’569 (+17,0%) alternativ angetriebene Fahrzeuge erstmals immatrikuliert; deren kumulierter Marktanteil beträgt damit neu 5,6% (2016: 4,7%). Auch der Verkauf von Neuwagen mit Dieselantrieb (113’118 PW, ‑9,1%) entwickelte sich hierzulande deutlich positiver als in Ländern mit einem vergleichbar hohen Dieselanteil. Der Marktanteils­verlust fällt mit 3,2 Prozent deshalb auch „nur“ halb so hoch aus (Marktanteil neu: 36,0%), als dies im Mutterland des Dieselgates der Fall war. Zu guter Letzt erklommen die 4×4-Zulassungen – wie allgemein erwartet wurde – ein neues Allzeithoch: Mit 47,5 Prozent Marktanteil steht die Schweiz in Kontinentaleuropa allein auf weiter Flur. Dabei vertrauen nicht nur Fahrer von SUVs und Geländewagen auf den Allradantrieb, sondern auch Neuwagen­käufer in praktisch allen übrigen Fahrzeugsegmenten.

Die Schweiz – Land der Gebrauchtwagen

Seit Jahr und Tag fallen die Occasionsverkäufe in der Schweiz sowie im Fürstentum Liechten­stein rund 2,7- bis 3-fach höher aus, als die Zahl der in demselben Jahr immatrikulierten Neuwagen (2017: Faktor 2,8). Der hiesige Occasionsmarkt profitiert dabei unter anderem von der relativ grossen Zahl von Ersatzbeschaffungen beim Neuwagenkauf, vom hohen durch­schnittlichen Fahrzeugalter sowie von (uneinheitlich) steigenden Kurzzulassungen, mit denen aktive Markt- und Rabattpolitik betrieben wird.

Insgesamt wechselten im zurückliegenden Jahr 872’892 gebrauchte Personenwagen (-0,1%) den Besitzer. Anders als beim Geschäft mit Neuwagen dominiert Volkswagen den Occasions­markt unangefochten (119’668 PW, ‑1,5%). Von gebrauchten Fahrzeugen der Marken BMW (64’990 PW, +4,3%) und Audi (64’634 PW, -1,2%) wurden je nur knapp mehr als die Hälfte der Stückzahlen von Volkswagen verkauft. Die weiteren Ränge der Top-10-Markenrangliste 2017 teilen sich Mercedes-Benz (57’633 PW, +3,5%), Opel (52’205 PW, -4,5%), Renault (44’086 PW, -0,8%), Peugeot (40’450 PW, -0,9%), Ford (39’092 PW, ‑2,8%), Toyota (32’339 PW, +0,8%) und Fiat (31’498 PW, -1,9%) unter sich auf.

«Auch 2018 bleibt die Schweiz ein starker Gebrauchtwagenmarkt», ist Roland Strilka über­zeugt. «Bei den Handänderungen von Dieselfahrzeugen werden wir aber wahrscheinlich einen beginnenden Rückgang sehen – dies eine Folge der bereits seit Ende 2016 rückläufigen Neuzulassungen. Gewinner werden auch hier die Benziner sowie alternativ angetriebene Fahrzeuge sein. Auf Grund der positiven Konjunkturaussichten und dem immer noch hohen Marktniveau von Neuzulassungen schätzen wir den Gebrauchtwagenmarkt für 2018 auf rund 860’000 bis 870’000 PW, was einer stabilen bis leicht rückläufigen Entwicklung entspricht».

Angebotsverknappung führt zu rückläufigen Standzeiten

Trotz stagnierenden Halterwechseln auf hohem Niveau sanken die Standzeiten von Gebrauchtwagen im Vorjahresvergleich per Ende Dezember 2017 auf durchschnittlich 96 Tage (-3%). Dies bedeutet, dass mehr Occasionen einen Käufer fanden, als im gleichen Zeitraum Gebrauchtwagen neu zum Verkauf standen. Diese Angebotsverknappung kann im Wesentlichen auf eine etwas geringere Anzahl von Ersatzbeschaffungen im (leicht) rück­läufigen Neuwagenmarkt, auf die Abschwächung des Frankens – und die dadurch sinkende Attraktivität von Importen ausländischer Occasionen – sowie auf eine überwiegend attraktive Preisgestaltung auf dem inländischen Gebrauchtwagenmarkt zurückgeführt werden.

Von dieser positiven Entwicklung konnten die beiden Fahrzeugsegmente mit den bis dato tiefsten und höchsten Standzeiten allerdings nicht profitieren. Verkäufer von SUVs und Geländewagen (90 Tage, -0,0%) sowie von Fahrzeugen der Luxusklasse (120 Tage, -0,0%) benötigten exakt gleich viel Geduld wie im Vorjahr, um einen Gebrauchtwagenkäufer von ihrem Angebot zu überzeugen. Generell rückläufig waren hingegen die Standzeiten aller übrigen Fahrzeugsegmente: Stärker gefragt als im Vorjahr und in durchschnittlich weniger als 100 Tagen verkauft werden konnten Kleinwagen (90 Tage, -5,3%), Fahrzeuge der unteren Mittelklasse (94 Tage, ‑3,1%), Kompakt- und Minivans (95 Tage, ‑3,1%), Occasionen der Mittelklasse (97 Tage, -2,0%) und der Microklasse (99 Tage, -6,6%). Länger als 100 Tage mussten im zurückliegenden Jahr Fahrzeuge der Oberen Mittelklasse (102 Tage, -1,9%), Coupés (117 Tage, -2,5%) sowie Cabriolets und Roadster (117 Tage, -2,5%) auf einen neuen Besitzer warten.